ARBEITSRECHT
Abfindung in einem Betrieb mit unter 10 Mitarbeitern erzielen
Dieser Beitrag basiert auf der langjährigen Erfahrung von Rechtsanwalt Dr. Breuer. Er ist ist Fachanwalt für Arbeitsrecht in Berlin.
1. Ab welcher Betriebsgröße ist der Kündigungsschutz geringer?
In Kleinbetrieben sind Arbeitnehmer deutlich weniger vor Kündigungen geschützt, als es in größeren Betrieben der Fall ist.
Nach § 23 Abs. 1 KSchG gilt das Gesetz nicht für Betriebe, die regelmäßig zehn oder weniger Arbeitnehmer beschäftigen.
Wie viele Mitarbeiter im Sinne des KSchG im Betrieb beschäftigt sind, ist anhand der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit der Arbeitnehmer zu ermitteln. Denn: Je nach Wochenarbeitsstunden kann es sein, dass ein Arbeitnehmer nur anteilig gezählt wird.
Wichtig für die Zählweise ist zudem, dass es nur auf den konkreten Betrieb als organisatorische Einheit ankommt. Keineswegs ist das gesamte Unternehmen zu betrachten, das mehrere Betriebe umfassen kann. Ein eigenständiger Betrieb innerhalb eines Unternehmens liegt vor, wenn die Niederlassung ihre Personalangelegenheiten selbständig regelt.
Die Zählweise gestaltet sich folgendermaßen:
- Ein Arbeitnehmer in Vollzeit zählt als 1 Mitarbeiter.
- Ein Teilzeitbeschäftigter mit 20h pro Woche zählt als 1/2 Mitarbeiter.
- Ein Teilzeitbeschäftigter mit 20 aber bis zu 30h pro Woche zählt als 3/4 eines Mitarbeiters.
- Ein Teilzeitbeschäftigter mit 30 bis zu 40h pro Woche zählt ebenfalls als voller Mitarbeiter.
Ausnahmen gelten allerdings für Praktikanten, Azubis und Geschäftsführer. Diese werden nicht als Mitarbeiter gezählt. Arbeitnehmer, die sich in Elternzeit befinden, sind hingegen zu berücksichtigen.
Sonderregeln gelten zudem für Arbeitsverhältnisse, die schon vor dem 01.01.2004 bestanden. Für solche „Alt-Mitarbeiter“ ist – stark vereinfacht – eine Schwelle von 5 Mitarbeitern maßgeblich. Tatsächlich ist die Berechnung komplizierter.
2. Kündigungsschutz in Betrieben mit 10 Mitarbeitern oder weniger
Sie stehen trotz des geringeren Kündigungsschutzes nicht wehrlos dar, wenn Ihnen im Betrieb mit 10 oder weniger Mitarbeitern eine Kündigung zugeht. Auch im Kleinbetrieb muss der Arbeitgeber allgemeine Regeln beachten, die sein Kündigungsrecht einschränken:
- Sonderkündigungsschutz gilt etwa für Auszubildende, Schwangere, junge Mütter, Auszubildende und Betriebsratsmitglieder. Diese Personengruppen können nur unter besonders engen Voraussetzungen entlassen werden. In einigen Fällen muss sogar eine Behörde der Entlassung zustimmen. Arbeitgeber schrecken davor meist zurück.
- Zudem darf auch im Kleinbetrieb die Kündigung nicht als Strafe ausgesprochen werden (Verbot der Kündigung als Maßregelung, § 612a BGB); s. Beispiele dazu weiter unten.
- Ebenso unzulässig sind in der Regel diskriminierende Kündigungsgründe, wie etwa die ethnische Herkunft, Religion oder die sexuelle Orientierung des Arbeitnehmers. Ausnahmefälle sind selten.
- Auch den Grundsatz von Treu und Glauben muss der Arbeitgeber in einem Kleinbetrieb einhalten. Deshalb kann im Kleinbetrieb vom Arbeitgeber ein Mindestmaß an ethischer und sozialer Rücksicht erwartet werden. Der Arbeitgeber darf z.B. nicht willkürlich die Stelle eines Familienvaters mit langjähriger Betriebszugehörigkeit streichen, wenn er ebenso gut einen alleinstehenden 40-Jährigen hätte kündigen können, der erst ein Jahr im Unternehmen ist.
- Unzulässig sind daneben Kündigungen aus sittenwidrigen Gründen wie Rache oder Neid. Der Nachweis vor Gericht ist schwierig zu erbringen, aber nicht unmöglich. Im Rahmen der Abfindungsverhandlung geht es ohnehin nur darum, dem Arbeitgeber Risiken aufzuzeigen, s.u. Sie müssen nicht gleich das Gericht vollständig überzeugen.
Zudem muss der Arbeitgeber formale Vorschriften einhalten, etwa den Betriebsrat vor einer Kündigung anhören und die Kündigung unterschrieben im Original dem Arbeitnehmer zukommen lassen.
3. Wann eine Abfindung auch im Kleinbetrieb realistisch ist
Ob eine Abfindung realistisch ist, hängt ganz vom Einzelfall ab.
Wichtig: Anders als häufig angenommen, besteht auf die Abfindung kein Anspruch. Sie müssen in aller Regel verhandeln! Wir raten Ihnen, die Verhandlung auf einen erfahrenen Fachanwalt für Arbeitsrecht zu übertragen.
Der Arbeitgeber lässt sich oft auf eine Abfindung ein, wenn Sie durchdacht vorgehen. Für ihn besteht nämlich das Risiko, dass seine Kündigung vom Arbeitsgericht für unwirksam erklärt wird. Das würde hohe Kosten für das Unternehmen bedeuten; außerdem möchte der Arbeitgeber nicht die gesamte Prozessdauer in Unsicherheit schweben. Daher zahlt er oft eine Abfindung, wenn Sie im Gegenzug Ihre Entlassung akzeptieren.
Im Idealfall ergibt sich gleich nach der Kündigung ein Abwicklungsvertrag, der auch eine Abfindungszahlung umfasst. Ansonsten sollten Sie – auf Rat Ihres Anwalts – womöglich Klage erheben. Auch dann besteht im Rahmen des Gütetermins noch die Möglichkeit, dass der Arbeitgeber sich auf eine Abfindung einlässt.
Oft sehen Arbeitgeber auch von einer Kündigung ab und schlagen Ihnen stattdessen einen Aufhebungsvertrag vor. Wenn Sie unterschreiben, heben Sie freiwillig Ihr Arbeitsverhältnis auf. Lassen Sie sich daher unbedingt vorher beraten. Ohne eine hohe Abfindung ist der Aufhebungsvertrag für Sie oft die schlechteste Lösung. Ihnen drohen zusätzlich massive Einbußen beim Arbeitslosengeld.
4. Welche Höhe hat die Abfindung bei 10 oder weniger Mitarbeitern?
Die Höhe der Abfindung lässt sich im Betrieb mit 10 oder weniger Mitarbeitern nicht pauschal vorhersagen. Aber: Eine Faustformel hilft, um Angebote des Arbeitgebers grob (!) einordnen zu können.
Die Faustformel für die Berechnung lautet wie folgt: 0,5 Bruttomonatsgehälter x Anzahl der Jahre der Betriebszugehörigkeit.
Wie hoch die Abfindung letztlich ausfällt, hängt im Wesentlichen davon ab, wie belastbar die Kündigung ist. Wenn der Arbeitgeber damit rechnen muss, dass das Arbeitsgericht die Kündigung für fehlerhaft hält, wird er Ihnen einen hohen Betrag anbieten. Je geringer er dieses Risiko einschätzt, desto kleinere Summen sind realistisch.
Beispiele:
- Sie genießen besonderen Kündigungsschutz als Schwerbehinderter, Betriebsrat, Mitarbeiter in Elternzeit, Schwangere o.ä. Ihr Kündigungsschutz ist besonders gut, sodass der Arbeitgeber eher mit einer Niederlage vor Gericht rechnen muss. Sie haben daher auch im Betrieb mit 10 oder weniger Mitarbeitern oft gute Chancen auf eine hohe Abfindung.
- Sie sind wenige Wochen vor Ausspruch der Kündigung in die Gewerkschaft eingetreten, Sie haben gegen Ihren Arbeitgeber geklagt, den Tariflohn verlangt oder in anderer Weise auf Ihre Rechte bestanden. Nun kündigt Ihnen der Arbeitgeber. Der enge zeitliche Zusammenhang lässt vermuten, dass das Unternehmen Sie wegen der Inanspruchnahme Ihrer Rechte maßregeln möchte. Das wäre unzulässig. Ihre Chancen auf eine hohe Abfindung stehen gut.
- Ihr Arbeitsvertrag ist befristet. Auch hier dürfen Sie meist mit einer Abfindung rechnen, obwohl Ihr Betrieb 10 oder weniger Mitarbeiter zählt. Oft zahlt der Arbeitgeber die Höhe des Restgehalts aus, das noch bis zum Ende der Befristung aussteht.
- Ihr Arbeitgeber hat sich abfällig über Ihre Religion, Ihr Geschlecht oder Ihre sexuelle Orientierung geäußert und Ihnen kurz darauf gekündigt. Je nach Fall können Sie auch hier eine Abfindung erzielen.
Ein Fachanwalt für Arbeitsrecht kann am besten für Sie abschätzen, welche Verhandlungschancen Sie im Einzelfall haben.
5. Wie erziele ich eine möglichst hohe Abfindung?
Formal: Die Klagefrist wahren
Innerhalb der Klagefrist sollte der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber signalisieren, dass er die Kündigung nicht akzeptieren und nötigenfalls klagen wird. Sie müssen innerhalb von drei Wochen ab der Kündigung tätig werden. Andernfalls läuft die Klagefrist ab und Sie können nicht mehr wirksam damit drohen, gegen die Kündigung vorzugehen.
Willen zur Weiterarbeit signalisieren
Genauso wichtig: Vermitteln Sie glaubhaft, dass Sie tatsächlich im Betrieb weiterarbeiten möchten. Nur, wenn der Arbeitgeber tatsächlich befürchtet, dass Sie Ihre Klage bis zur Wiedereinstellung betreiben, wird er die gewünschte Summe zu zahlen bereit sein.
Anwalt einschalten
Nicht zuletzt sollte ein spezialisierter Fachanwalt für Arbeitsrecht hinzugezogen werden, um Sie vor Gericht zu vertreten und zu beraten.
6. Muss ich die Abfindung versteuern?
Grundsätzlich muss die Abfindung voll versteuert werden, auch im Betrieb mit 10 oder weniger Mitarbeitern. Die Zahlung fällt unter die sogenannten „außerordentlichen Einkünfte.“ Wenn mindestens 90 Prozent der gesamten Zahlung in einem Kalenderjahr erfolgt, kann die sogenannte Fünftelregelung Ihre steuerliche Belastung reduzieren. Das Finanzamt wendet dann auf die gesamte Abfindung nur denjenigen Steuersatz an, der zur Anwendung käme, wenn Sie die Zahlung gestreckt über fünf Jahre erhalten hätten.
7. Fazit
- Im Betrieb mit 10 oder weniger Mitarbeitern gelten für den Arbeitgeber weniger strenge Kündigungsschutzregeln.
- Trotzdem: Bestimmte Anforderungen muss der Arbeitgeber auch hier beachten, damit die Kündigung rechtmäßig ist.
- Sittenwidrige Gründe, Verstöße gegen Treu und Glauben sowie Diskriminierung können die Kündigung angreifbar machen. Außerdem sind Betriebsräte, Schwangere, Eltern in Elternzeit, Auszubildende und andere besonders geschützt.
- Um eine angemessene Abfindung zu erzielen, muss der Arbeitnehmer glaubhaft mit einer erfolgreichen Klage drohen können – dann ist ein gutes Ergebnis erzielbar.
- Die Abfindung muss grundsätzlich voll versteuert werden. Die Fünftelregelung reduziert den Steuersatz etwas.